Als Jahrhundertchronist wurde Karl Stankiewitz in einem Nachruf in der "Süddeutschen Zeitung" bezeichnet. 1947 hat er seine Karriere in der SZ begonnen. Unzählige Zeitungsartikel und 37 Bücher über Themen aus München und Bayern hat er seitdem verfasst. Bis zu seinem Tod am 13. Dezember 2024 im Alter von 96 Jahren hat er weiter geschrieben: Seine "Gedankenblitze" hat die Familie in einem Heft zusammengestellt, das bei der Trauerfeier verteilt wurde - zusammen mit der Bitte um Spenden für JhJ.
Unsere Arbeit war Karl Stankiewitz so wichtig, dass er sich in seinem letzten "Gedankenblitz" an den Ursprung und die Gründung unseres Vereins erinnerte.
Die Buchstaben verschwimmen und die Finger zittern, während sich Fehler und Lücken mehren und Gedanken ausbleiben. Höchste Zeit, aufzuhören mit den „Gedankenblitzen“. Sohn Thomas und Enkeltochter Tania wollen die bisherigen Texte redigieren, korrigieren, illustrieren, als kleines Buch oder online produzieren und im Zusammenhang mit meinem Ableben zu verschenken. Thomas hat außerdem die Idee, etwaige kleine Beiträge als Spenden direkt an den Verein „Journalisten helfen Journalisten“ zu leiten.
Ich habe diese Initiative von Anfang an nicht nur mit Sympathie begleitet, war lange Mitglied, und habe darüber in unserem Verbandsorgan „Journalist“ berichtet. Der Verein hatte einen schrecklichen Ursprung. In Kroatien war der SZ-Reporter Egon Scotland am 26. Juli 1991 von einem serbischen Heckenschützen trotz Presse-Kennzeichnung erschossen worden. Er war nicht das einzige Opfer der blutigen Jugoslawien-Kriege. Nicht lange danach bat seine Frau Christiane Schlötzer einige Kolleginnen und Kollegen ins München Funkhaus, die dann 1993 den Verein „Journalisten helfen Journalisten“ gründeten.
Ich erinnere mich an die BR-Redakteurin Helga Montag vom „Mittagsmagazin“ und an Dagmar Reim, die den immer noch sendenden „Zündfunk“ erfand und später zwei Rundfunkanstalten leitete. Mit dabei waren auch ihr späterer Mann Rudi Großkopf, der so wie ich als Münchner Korrespondent arbeitete, und der kürzlich verstorbene Peter Sander. Die langjährige SZ-Redakteurin Christiane Schlötzer-Scotland hält den kleinen, aber wirksamen Kreis immer noch zusammen. Weltweit wird Kollegen geholfen, die politische Verfolgung erleiden, eingesperrt sind oder infolge von Kriegen und Krisen in Not geraten sind.
Die Zusammenarbeit mit den Organisationen der Journalisten, vor allem aber mit Amnesty International war und ist da natürlich sehr hilfreich. Mit Amnesty hat mich ein Fall von politischer Verfolgung lange Zeit auch persönlich verbunden. Das kam so: Am sogenannten Goldstrand im sozialistischen Bulgarien hatten meine Frau und ich beim Urlaub ein Ehepaar aus Leipzig kennengelernt. Man freundet sich an, wechselte vorsichtig Briefe, wir besuchten sie auch. Der Messekellner Hans und seine Frau Gabi wollten unbedingt in den Westen „rübermachen“. Bei einem neuerlichen Versuch wurden beide verhaftet und wegen „Republikflucht“ auf Jahre hin eingesperrt, er in Cottbus, sie in Halle.
Im Januar 1978 erreichte mich ein Brief, den Hans Tetzlaff aus dem Knast geschmuggelt hatte. Er bat mich, das Schreiben, das haarsträubende Zustände schilderte, anonym zu veröffentlichen. Der Kölner Stadt-Anzeiger fand sich bereit. Den Brief gab ich an die Gefangenenhilfsorganisation „Amnesty International“. Diese beauftragte, wie wohl üblich, eine möglichst ferne Sektion: der in Tokio, an die Regierung in Ostberlin zu appellieren. Außerdem informierte ich Bundeskanzler Willy Brandt. Und tatsächlich: nach wenigen Wochen erreichte mich ein Anruf von Hans Tezlaff aus einem Grenzort der Bundesrepublik. Er und seine Frau und weitere Gefangene waren gegen eine Devisenzahlung in unbekannter Höhe, die aus der DDR entlassen wurden. Freigekauft, wie es damals hieß.
Im September 1997 erhielt ich von der Gauck-Behörde die Auskunft, „dass Sie seit dem 13. 10. 1981 durch den Staatssicherheitsdienst mit dem Hinweis ‚KK‘ erfasst waren.“ Unter dieser Chiffre konnte die Stasi unter anderem Personen observieren, bei denen sie Anhaltspunkte für eine „feindliche Tätigkeit“ erfasst. Zuständig für mich war der MfS-Mitarbeiter Hermann von der Bezirksverwaltung Leipzig. Beigelegt waren Kopien von drei Karteikarten.
In der Gedenkstätte Bautzen, die in einem der ehemaligen Stasi-Gefängnisse eingerichtet wurde, wird die Zahl der zwischen 1963 und 1989 freigekauften politischen Gefangenen auf knapp 34 Tausend beziffert. Dafür zahlte die Bundesrepublik über 3,4 Millionen Mark, die in Form von Waren und Rohstoffen verrechnet wurden. Einzelheiten über den Freikauf seien heute noch tabu. Unterlagen der beteiligten ost- und westdeutschen Institutionen seien nicht zugänglich, die Akteure zum Schweigen verurteilt. (12.12.2024)
GEDANKENBLITZE UND ANDERE FRAGMENTE
aus dem Nachlass des Journalisten
Karl Stankiewitz
1928 - 2024
Nachtrag: Unter dem Verweis "Karl Stankiewitz" sind 1001 Euro auf dem Spendenkonto von JhJ eingegangen.
Wir bedanken uns für die Spenden.
Und wir hoffen auch im Jahr 2025 auf finanzielle Unterstützung, damit wir unsere Arbeit für verfolgte und gefährdete Kolleginnen und Kollegen aus Krisengebieten fortsetzen können, die um ihre berufliche Existenz und ums Überleben kämpfen.