Peter-Sander-Nachruf

Peter "Pit" Sander
1941 - 2024


„Servabo“, der Titel der Lebenserinnerungen des linken italienischen Journalisten Luigi Pintor, hat eine mehrfache Bedeutung. „Es kann“, so schreibt Pintor, „ soviel bedeuten wie ‚ich werde bewahren, in werde in Erinnerung behalten, ich werde die Treue halten‘ oder auch ‚ich werde dienen und nützlich sein.“ Ob Peter Sander, den alle nur ‚Pit‘ nannten, dieses Buch gelesen hat, weiß ich nicht. Aber da er ein großer, wirklich sehr leidenschaftlicher Leser mit einer respektablen privaten Bibliothek war, könnte es sein, dass er dieses schmale Erinnerungsbüchlein von Pintor kannte. ‚In Erinnerung behalten, Treue wahren, dienen und nützlich sein‘ waren auch zentrale, sein Leben rahmende Werte.

Von seinen vielen Jahren als Pressesprecher des bayerischen DGB hat Pit einen großen Fundus an Erinnerungen und Anekdoten aufbewahrt, die er in immer neuen Varianten an seine Freunde, Kolleginnen und Kollegen weitergegeben hat. Der Arbeiterbewegung fühlte sich Pit, ein klassischer Alt-Achtundsechziger’, immer selbstverständlich verbunden. Viele Jahre war er auch Mitglied der SPD, hat die Partei aber in der ‚Ära Schröder’ enttäuscht verlassen. Und wer die Bücher von Karl Schlögel, Varlam Schalamow oder Wassili Grossmann anderen zur Lektüre ans Herz legt, kann kein ‚Putin-Versteher’ sein. 
Anschliessend an diese Zeit im ‚Dienste der Arbeiterbewegung‘ kam Pit zur Redaktion „Innenpolitik“ des Bayerischen Fernsehens. Er wechselte dann in die für einen Gewerkschafter nahliegende Redaktion „Sozialpolitik“ des BR. Mit besonders viel Herzblut produzierte er jedoch in seiner BR-Zeit für die Sendereihe „Bilder einer Landschaft“ Beiträge über italienische Regionen wie den Apuanischen Alpen oder den ‚Monte Rosa’ im Piemont. 
Im BR wie auch im privaten Leben, war Pit immer ein unentwegter ‚Netzwerker‘. Berühmt unter seinen Kolleginnen und Kollegen war da der von ihm initiierte ‚Vatikan-Stammtisch‘ im ‚Weissen Bräuhaus‘, an dem über Gott, die Welt, den BR und CSU diskutiert wurde - allerdings nicht unbedingt im tiefgläubigen Sinne des Vatikans. Mit der ihm eigenen anarchischen Ironie organisierte Pit auch „Männerwallfahrten“ nach Rom, bei denen nach Besuchen in den Vatikanischen Museen natürlich immer Abende in römischen Trattorien im Programm standen.

Seit der Gründung von JhJ gehörte Pit dem Verein an. Und er war nicht nur ein passives Vereinsmitglied, das regelmäßig einmal im Jahr seinen satzungsgemässen Obulus ‚für einen gemeinnützigen Zweck‘ leistet. Zur Unterstützung kleinerer und größerer Hilfsaktionen war er immer im Sinne von Pintor „nützlich und dienlich“. In seinen verlässlichen Hilfsaktionen spürte man da noch ein Echo aus den solidarischen und genossenschaftlichen Idealen der ‚alten Arbeiterbewegung‘. Wenn er über seine Geburtsstadt Wuppertal sprach - und das tat er häufig - fiel irgendwann natürlich und nicht ohne Stolz, der Name Friedrich Engels. Wie sehr Pit vernetzt war in den Gewerkschaften und in seinen weitläufigen Freundeskreisen konnte man in der Zeit des Bosnien-Krieges in den neunziger Jahren erleben. Da sammelte er mithilfe von Betriebsräten in Münchner Kliniken Medikamente, Brillen, Gehhilfen, Spritzen - und zwar palettenweise. BR-Kollegen wie Thomas Morawaski schafften diese dann mit Hilfe der Luftwaffe ins belagerte Sarajevo. Höhepunkt in diesen aufwühlenden Jahren war die extrem zeit- und geldaufwendige Organisation einer Nierentransplantation für einen jungen bosnischen Kollegen. Pit trommelte da in kürzester Zeit 100.000 Mark an Spenden zusammen. 

In „Planet ohne Visum“, dem großen Epos von Jean Malaquais über das Leben und Überleben der vor den Nazis nach Marseille geflohenen Intellektuellen und Schriftsteller, heißt es an einer Stelle: „Es gibt nicht viele Möglichkeiten, sich seines Lebens würdig zu erweisen. Dem Club der Henker nicht beizutreten, ist eine davon. Denjenigen zu helfen, die schwächer sind als man selbst, ist eine andere.“
Ein Lebensmotto, dem Pit immer die Treue gehalten hat…

Carl Wilhelm Macke ( unter Mithilfe von Thomas Morawski )

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