Palm-Preis_2022

Der Preisträger und seine Laudatorin: Jaques Vagheni von Coracon, Judith Raupp von "Journalisten helfen Journalisten". Foto: csc


Palm-Preis für mutige

Radio-Macher aus dem Kongo

In einer Welt voller alternativer Fakten, in der Autokraten Meinungen unterdrücken „und die Lüge ein Herrschaftsinstrument ist“, sei dieser Preis notwendiger denn je, sagt Ulrich Palm, Vorsitzender des Stiftungsrats der Palm-Stiftung. Seit 2002 vergibt die in Schorndorf in Baden-Württemberg beheimatete Stiftung alle zwei Jahre einen Preis für Meinungs- und Pressefreiheit, sie richtet ihren Blick dabei auf die Krisengebiete der Welt. In diesem Jahr wurde auf Vorschlag von "Journalisten helfen Journalisten" Coracon, ein Verbund von mehr als 40 lokalen TV- und Radiostationen aus dem Ostkongo, ausgezeichnet.


Coracon setze Armut und brutaler Gewalt „den unbedingten Glauben an die Veränderbarkeit der Zustände durch Information, Aufklärung und Bildung entgegen“, heißt es in der Preis-Begründung. Eine Arbeit unter Lebensgefahr. In ihrer Laudatio sagte die deutsche Journalistin Judith Raupp, Afrikaexpertin und ehemalige Politik-Redakteurin der Süddeutschen Zeitung, sie frage sich oft, „woher meine Kolleginnen und Kollegen im Kongo die Kraft nehmen, weiterzumachen“. Der Koordinator von Coracon, Jaques Vagheni, antworte ihr dann immer: „Wir haben keine Wahl.“ Vagheni , der den Preis in Schorndorf entgegennahm, nannte die Auszeichnung „eine Ermutigung und einen Ansporn, uns trotz der Risiken, denen wir täglich ausgesetzt sind, noch mehr für qualitativ hochwertigen Journalismus einzusetzen“. Vagheni schilderte die Gefahren, vor denen seine Kolleginnen und Kollegen nur zu oft stünden: Entführungen durch bewaffnete Gruppen, Zwangsrekrutierungen durch Milizen, Plünderungen, Überfälle. Ihre materielle Existenz zu sichern sei für die Coracon-Leute wichtig, weshalb viele nebenbei noch andere Jobs machen müssten, sagte Raupp, die sich seit elf Jahren im Ostkongo in der Journalistenausbildung engagiert. „Es geht aber auch darum, gezeigt zu bekommen, dass man nicht vergessen wird von der Welt. Ein Krieg ist schlimm“, sagte die Journalistin, „aber er ist besonders schlimm, wenn er von der Welt ignoriert wird.“ Vagheni verwies auf den Rohstoffreichtum des Kongo, er sprach von einem Wirtschaftskrieg. Der Reichtum an Bodenschätzen, „die in jedem Handy stecken“, dürfe nicht dazu führen, „wehrlosen Menschen das Leben zu nehmen“.


Coracon teilt sich den Preis mit dem russischen Journalisten Alexei Wenediktow, dessen Radiosender Echo Moskwy nach dem russischen Überfall auf die Ukraine verboten wurde. Die Ehrung für Wenediktow war nicht unumstritten, wie das Palm-Kuratorium erfahren musste. Dem Journalisten wurde von russischen Oppositionellen vorgehalten, dass er auch Kontakte in den Kreml hielt. Dazu sagte der frühere deutsche Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, in seiner Laudatio, Wenediktow habe „stets größten Wert daraufgelegt, dass Echo Moskwy kein Oppositionssender sei, sondern konsequent unabhängig. So wurden Gäste fast jeden Standpunkts eingeladen, auch extremer Auffassung.“ Wenediktow habe stets „Kontakt nach allen Seiten gehalten“. Dass Radio Moskwy nun verboten und Wenediktow zum „ausländischen Agenten“ erklärt wurde, zeige, dass der Sender „der vornehmsten Pflicht jedes guten Journalismus nachgekommen“ sei, die Wahrheit zu sagen.

Ursprünglich wollte die Stiftung Wenediktow zusammen mit dem Institute of Mass Information (IMI) aus der Ukraine auszeichnen – gedacht als Brückenschlag zwischen den Konfliktparteien. Doch IMI signalisierte, den Preis nicht annehmen zu wollen. Er bedaure das sehr, sagte Wenediktow in Schorndorf, „aber ich verstehe es auch gut“, schließlich sei es seine Regierung, „die ihr Land mit Bomben bewirft“.

Benannt ist der Preis nach dem 1766 in Schorndorf geborenen Verleger Johann Philipp Palm. 1806 veröffentlicht er ein gegen Napoleon gerichtetes anonymes Pamphlet mit dem Titel „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“. Daraufhin wird er verhaftet, zum Tode verurteilt und in Braunau am Inn hingerichtet. Palm gab den Autor des Pamphlets nicht preis. Er ist bis heute unbekannt.


Zuletzt waren die jemenitische Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin Bushra Al-Maktari, ebenfalls auf Vorschlag von JhJ, sowie der chinesische Buchautor und Verleger Gui Minhai ausgezeichnet worden.

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