Die Hoffnungen waren groß, der Einsatz der Journalistinnen und Journalisten, die für Menschenrechte, Demokratie und Pressefreiheit in ihrem Land eintraten, war beeindruckend.
Der Fall war tief, als der Westen überstürzt abzog. Die Enttäuschung der Kolleginnen und Kollegen, die sich mutig engagiert hatten und Hilfe in der Not erwarteten, ist immens. Deutschland versprach, gefährdete Personen aufzunehmen. Mit dem Bundesaufnahmeprogramm vom Oktober 2022 wurde Tausenden Versprechungen gemacht. Eingelöst wurden sie bisher 540 mal. In Pakistan, im Iran, in Afghanistan warten tausende unter schwierigsten prekären Bedingungen und unter Lebensgefahr darauf, ein deutsches Visum zu bekommen, das ihnen schon zugesagt war. Es ist nie richtig in Gang gekommen, jetzt scheint es gänzlich in Frage gestellt zu werden.
Wir von JhJ können an der politischen Situation nichts ändern. Wir versuchen dennoch immer wieder, Kolleginnen und Kollegen zu helfen, die ums Überleben kämpfen oder die Geld für eine medizinische Behandlung oder eine Visumsverlängerung in einem Nachbarland brauchen. Manchmal gelingt es auch, Personen oder Familien die Flucht in ein sicheres Land zu finanzieren, wo ihnen die dortige Regierung - anders als Deutschland - ein Visum gewährt hat.
Reporter ohne Grenzen (RoG) hat den Kollaps des Bundesaufnahmeprogrammes Afghanistan (BAP) in einem 13-seitigen Bericht zusammengefasst. Mit Hintergründen, Grafiken und Anpassungsvorschlägen.
Als wir anfingen, Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan zu unterstützen, ahnten wir nicht, was auf uns zukommen würde. Wir merkten aber bald, dass das Aufnahmeprogramm, das die Bundesregierung im Herbst 2022 auflegte, nicht funktioniert. Es schließt von vorneherein all diejenigen aus, die schon vor dem Terror der Taliban geflüchtet sind und überwiegend Zuflucht in den Nachbarländern Pakistan oder Iran gesucht haben. Wir nahmen uns vor, denen zu helfen, die erst einmal kein Programm erfasste – nicht ahnend, dass sie über lange Zeit keine Rettung finden würden, und dass auch die meisten, die eine deutsche Zusage bekommen haben, oft auf unbestimmte Zeit auf ein Visum warten müssen.
Als uns die ersten Hilferufe von afghanischen Kolleginnen und Kollegen aus Pakistan erreichten, beantworteten wir noch jeden persönlich und gingen individuell auf die Nöte der Schreibenden ein. Aber längst übersteigt die Zahl der Anfragen unsere Kapazitäten. Denn rasch hat sich seit Anfang 2023 herumgesprochen, dass JhJ eine der ganz wenigen NGOs ist, die unbürokratisch afghanische Kolleginnen und Kollegen mit Überlebenshilfen unterstützt. Seitdem füllen sich unsere Postfächer jeden Tag von neuem.
Ungezählte persönliche Biografien spiegeln sich in den Mails aus der Ferne, verfasst meist in perfektem Englisch, detailliert dokumentiert durch Zeugnisse, die den Bildungswillen und das langjährige journalistische und demokratische Engagement belegen. Dazu Schilderungen von Lebensbedingungen, die kaum zu ertragen sind. Viele der Kolleginnen und Kollegen sind jung, sie haben kleine Kinder. Inzwischen sind die Ersparnisse aus vielen Jahren journalistischer Arbeit aufgebraucht, alle Wertsachen verkauft. Der Weg zurück nach Afghanistan würde für die meisten Verfolgung durch die Taliban bedeuten, womöglich mit Haft und Folter, wie sie in Afghanistan zurzeit an der Tagessordnung sind. Pakistan hat jüngst, ungeachtet der Appelle internationaler Menschenrechtsorganisationen, damit begonnen, auch bedrohte Journalisten und ihre Familien nach Afghanistan abzuschieben.
„Relocation“, die Umsiedlung in ein sicheres Land, das ist der größte Wunsch der allermeisten. Wir aber können keine Visa für westliche Länder vermitteln. Die einzigen EU-Länder, die zuletzt mehrere Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan via Pakistan aufgenommen haben, sind unseres Wissens Frankreich und Spanien. Aber viele, die solch ein rettendes Visum erhalten, können sich die Flugtickets von Islamabad nach Paris oder Madrid nicht leisten. Zudem verlangt Pakistan für abgelaufene pakistanische Visa horrende Ausreisegebühren. Da ist immer wieder JhJ eingesprungen.
Eine knappe Bilanz: Seit Mai 2022 haben wir rund 150 mal finanzielle Unterstützung für afghanische Kolleginnen und Kollegen in Pakistan und Iran auf den Weg gebracht. Etwa 30 afghanische Familien mit einem Visum für ein EU-Land konnten mit unserer Hilfe ins Exil ausreisen.
Das hat das Konto von JhJ weitgehend geleert.
Aber die Liste der Notrufe, die bei uns ankommen, ist nach wie vor lang. Die Bedrohungen für Kolleginnen und Kollegen, die noch in Afghanistan ausharren und sich verstecken, werden immer härter. Zuletzt bleibt häufig nur die Flucht über die Grenze, die nur bewerkstelligen kann, wer über etwas Geld verfügt. Und auch die Menschen, die in Pakistan lange auf ein Visum warten, brauchen Hilfe. Um wie bisher bedrängte und gefährdete Kolleginnen und Kollegen - nicht nur aus Afghanistan, sondern auch aus vielen anderen Krisenregionen - zu unterstützen, sind wir dringend auf weitere Spenden angewiesen.
Helga Montag, Vorsitzende von JhJ e.V.